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Schlag auf Schlag

Abruptes Ende − Am Freitag, 10. März 2006 fahren wir nach Wilson. Wir haben gelesen, dass es sich dabei um eine der schönsten Städte von North Carolina handeln soll. Uns überzeugt der Ort nicht vollumfänglich. Es hat zwar ein paar hübsche Backsteinhäuser aber das war’s dann auch schon. Die Strassen und Gehsteige wirken ausgestorben und auch die Geschäfte, darunter viele Antiquitätenläden, machen keinen besonders einladenden Eindruck.

Bevor wir weiterfahren, rufen wir unseren Broker in Baltimore an. Mit ihm wollen wir die Details für die Rückverschiffung von Nanuq besprechen. Was folgt, ist der nächste Dämpfer. Wir erfahren, dass wir Nanuq früher als ursprünglich abgemacht im Hafen abliefern müssen. Das heisst, uns bleibt nur noch eine Woche mit dem fahrbaren Untersatz. Unsere Stimmung ist im Eimer. Was wir bis jetzt möglichst verdrängt haben, steht plötzlich unausweichlich im Raum. Unsere Reise, unser gemeinsamer Traum, geht zu Ende.

Wir sind gezwungen, für die verbleibenden Tage einen Zeitplan aufzustellen. Nachdem wir nun fast ein Jahr lang praktisch ohne fixen Termine von Tag zu Tag gelebt haben, ein absolut einengendes Gefühl. Noch einmal wird uns in aller Deutlichkeit bewusst, welch privilegiertes Leben wir in den vergangen Monaten geführt haben. Umso mehr schmerzt nun die Erkenntnis, dass dieser Lebensabschnitt bald zu Ende ist. Werden wir jemals wieder die Möglichkeit haben auszubrechen, um noch einmal das absolute Freihheitsgefühl zu leben?

Jeder von uns versucht auf seine Weise mit dem baldigen Ende der Reise klar zu kommen. Während sich bei Markus der Abschiedsschmerz mit der Vorfreude auf das Wiedersehen mit den Daheimgebliebenen und den neuen beruflichen Herausforderungen mischt, herrscht bei Lulu totale Leere. Sie wäre noch so gerne nach Südamerika weitergereist und hadert nun damit, dass sie gegenüber Markus nachgegeben hat.

Im Moment bleibt uns für solche Gedanken allerdings keine Zeit. Es gilt nun rasch zu entscheiden und zu handeln. Wir sehen ein, dass für einen Besuch bei Ryan und seiner Familie keine Zeit mehr bleibt. Stattdessen fahren wir auf direktem Weg Richtung Washington D.C. In Rocky Mount checken wir in einem Motel ein und starten eine grosse Packaktion. Wir leeren den gesamten Inhalt unseres LandRovers und breiten alles auf dem Parkplatz aus. Danach werden die Sachen entweder für die Verschiffung im Auto versteckt oder für den Heimtransport im Flieger in unsere Taschen gepackt.

Zum Znacht gehen wir ins nahegelegene Wendy’s. Wer weiss, vielleicht ist es unser letztes Chili? Diese und ähnliche Fragen tauchen während den nächsten Tagen mehrmals auf. Es ist ein Abschied auf Raten von liebgewonnen Restaurants, Läden und vom amerikanischen Lebensgefühl.